Annullierte Flüge, abgesagte Veranstaltungen, leere Büros und Klassenzimmer: Maßnahmen, die eine schnelle Ausbreitung des Coronavirus verhindern sollen. Eine Entwicklung, die plötzlich die Digitalisierung in den Fokus rückt. Wir stellen einige Auswirkungen und Chancen vor.

Deutschland hängt bei der Digitalisierung hinterher

Die Ergebnisse zahlreicher Digitalisierungsstudien der vergangenen Jahre ähneln sich: Unternehmen, Politik, Verwaltung, Infrastruktur, sie alle hinken der Digitalisierung hinterher. Eine fortschrittliche Digitalisierung der Lebens- und Wirtschaftsbereiche aber ist essenziell für die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft und Gesellschaft Deutschlands, so die Quintessenz der Studien.

Die Corona-Krise bringt die Vor- und Nachteile der Digitalisierung auf den Punkt und zeigt uns beispielhaft, was der digitale Rückstand genau bedeutet. Innerhalb kürzester Zeit werden sämtliche digitale Errungenschaften und Defizite in allen gesellschaftlichen Bereichen offenbart. Die Pandemie ist ein Stresstest für die Digitalisierung in Deutschland. Zugleich stellt sie jedoch eine riesige Chance dar.

Wie Social Media die Corona-Kommunikation unterstützt

Die Corona-Krise verunsichert derzeit viele Menschen. Gerade deshalb ist eine transparente, schnelle und übergreifende Behördenkommunikation entscheidend.

Soziale Medien zeigen sich in der Corona-Krise als wertvolle, zusätzliche Informationslieferanten, die breite Kreise der Bevölkerung erreichen, darunter auch diejenigen, die keine herkömmlichen Medien konsumieren.

Hier bieten vor allem die sozialen Netzwerke große Chancen. Denn Social Media ermöglicht, schnell zu kommunizieren, auf Fragen der Bevölkerung direkt zu antworten und Trends zu erfassen. Außerdem erleichtern die sozialen Netzwerke die Kooperation zwischen verschiedenen Institutionen, Ländern und der Gesellschaft, da sie aktiv eingebunden werden und so sich miteinander vernetzen können. Ein riesiger Vorteil, der dem aktuellem Rückzug von Behörden aus dem sozialen Netz entgegenzusetzen ist.

Durch offizielle Berichterstattung können außerdem so genannte Fake-News vermieden werden. Eine große Herausforderung, der sich derzeit beispielsweise die Weltgesundheitsorganisation (WHO) aktiv stellt. Sie hat unter dem Hashtag #KnowtheFacts eine Kampagne gestartet, um auf die relevanten und richtigen Informationen hinzuweisen. Sie soll die Nutzer von Social Media dazu bringen, die Fakten der digitalen Welt, insbesondere auch in Zeiten von Epidemien, genau zu hinterfragen.

Homeoffice – und es geht doch!

Das Coronavirus fordert noch einiges mehr als digitale Kommunikation, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten. Homeoffice wird zum entscheidenden Faktor.

In Deutschland gibt es bisher keinen gesetzlichen Anspruch auf Homeoffice. Immer mehr Unternehmen reagieren aber auf das Coronavirus, indem sie ihren Mitarbeitern anbieten, im Homeoffice zu arbeiten, um so die Verbreitung einzudämmen. Viele Unternehmen haben bis vor der Krise nur sehr zögerlich Homeoffice eingeführt. Das verwundert, denn gerade für Büro-Arbeitsplätze sind potenziell diverse Homeoffice Tools vorhanden. Dennoch wurden diese Entwicklungen im Zuge der Digitalisierung oft verschlafen. So hat die Nutzung von Homeoffice in den vergangenen Jahren nur langsam zugenommen. 2014 lag der Anteil der Unternehmen, die zumindest einzelnen Mitarbeitern Homeoffice ermöglichen, bei 22 Prozent, 2018 bei 39 Prozent. Dieser Anteil hat sich innerhalb von wenigen Wochen stark erhöht. Häufig fehlt in den Organisationen neben der Hardware vor allem auch die Software, um die digitale Zusammenarbeit zu ermöglichen. Aber sicherlich mangelte es bisher auch an der richtigen Einstellung zu Homeoffice. Neben der richtigen Technik, die in vielen Fällen entweder erst beschafft oder richtig implementiert werden muss, braucht es auch eine entsprechende Unternehmenskultur. Es bleibt zu hoffen, dass auch nach der aktuellen Corona-Krise Homeoffice eine deutlich stärkere Verbreitung findet.

Werden virtuelle Meetings statt Face-to-Face-Kommunikation zum Standard?

Das Arbeiten im Homeoffice hat aber auch Nachteile: Fehlende soziale Kontakte, mangelnde Sichtbarkeit bei Kolleginnen und Kollegen aber vor allem auch die stark zurückgehende Kontaktpflege mit Geschäftspartnern, die für viele Unternehmen erfolgsentscheidend ist. Einige greifen daher auf virtuelle Meetings und Videokonferenzen zurück.

Über die nötige Infrastruktur verfügen allerdings nicht alle Betriebe. Eine Übergangslösung bieten einige Anbieter von digitaler Konferenz-Software. Sie stellen als Reaktion auf die Virusausbreitung wichtige Tools kostenlos zur Verfügung. Andere Anbieter haben ihre Zeitbeschränkung für kostenlose Meeting-Versionen aufgehoben.

Wichtig dabei bleibt jedoch immer das Thema Datensicherheit, daher ist diese Aufzählung weder abschließend noch eine Empfehlung. Dennoch zeigt sich auch hier der Trend zu einer stärkeren Digitalisierung.

Corona bringt die digitale Infrastruktur an ihre Grenzen

Die zunehmende Nutzung digitaler Technologien und damit des Internets etwa durch Homeoffice-Anwendungen und Videokonferenzen fordern die ohnehin rückständigen Breitbandnetze vor allem in ländlichen Regionen, aber auch in Großstädten, heraus. Weltweit steigt der Datenverkehr deutlich. Am Frankfurter Internetknoten stieg er in den vergangenen Tagen um 10 Prozent.

Auch hier zeigt sich, dass Deutschland noch viel aufholen muss und zu den Glasfaser-Entwicklungsländern gehört. Fast nirgendwo in den Industriestaaten ist der Glasfaseranteil derartig niedrig.

Funktioniert Bildung trotz geschlossener Schulen und Universitäten?

Während Hochschulen häufig Fernstudiengänge anbieten und so über die Erfahrung und Infrastruktur für ein digitales Lernen verfügen, scheint ein flächendeckender Tele-Unterricht in Schulen undenkbar. Die Möglichkeiten der digitalen Schule werden zum Teil über Nacht auf die Probe gestellt. Die Schulschließungen führen dazu, dass Lehrer alternative Pläne und Aufgaben erstellen müssen, mit denen die Schüler online lernen können. Theoretisch sind die digitalen Bildungsformate vielfältig. Die jüngste PISA-Studie zeigt sogar, dass die Länder, die auf digitale Bildung im Unterricht setzen, bessere Lesekompetenzen aufweisen. Allerdings nutzen viele Schulen und Lehrer bisher keine entsprechenden Lernplattformen und digitalen Kommunikationskanäle – vor allem nicht solche, die auf mobile Anwendungen angepasst sind. Dass die Schüler hingegen vor allem über das Smartphone online unterwegs, zeigt die aktuelle JIM-Studie.

Insgesamt zeigt sich auch beim Thema Bildung: Hier muss in Zukunft vieles digitaler werden!

Bekommt die Digitalisierung auch nach Corona einen höheren Stellenwert?

Es gibt weitaus mehr digitale Bereiche, die durch das Coronavirus stark und schnell wachsen. Vom Online-Handel und bargeldlosen Bezahlen über virtuelle Kulturangebote bis hin zu digitalen Prozessen im Gesundheitswesen. Da stellt sich natürlich die Frage: Geschieht durch Corona eine digitale Revolution, die sich auch langfristig festigt?

Andreas Scheuer, Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur, geht davon aus, dass die Digitalisierung in Deutschland durch die Corona-Krise einen ungeahnten Schub erleben wird. Der CSU-Politiker sagte im Deutschlandfunk, „man erlebe schon jetzt Veränderungen, die vor wenigen Wochen noch nicht vorstellbar gewesen seien“. Durch die Krise werde sich die Welt und die Gesellschaft in Deutschland verändern.

Wir werden uns wundern, wie schnell sich plötzlich Kulturtechniken des Digitalen in der Praxis bewähren. Tele- und Videokonferenzen, gegen die sich die meisten Kollegen immer wehrten, stellen sich als durchaus praktikabel und produktiv heraus. Lehrer lernen eine Menge über Internet-Teaching. Das Homeoffice wird für Viele zu einer Selbstverständlichkeit – einschließlich des Improvisierens und Zeit-Jonglierens, das damit verbunden ist.

Scheinbar veraltete Kulturtechniken erleben eine Renaissance

Gleichzeitig erleben scheinbar veraltete Kulturtechniken eine Renaissance. Plötzlich ist nicht nur der Anrufbeantworter erreichbar, sondern real vorhandene Menschen. Das Virus bringt eine neue Kultur des Langtelefonieren ohne Second Screen hervor. Auch die Nachrichten selbst bekommen plötzlich eine neue Bedeutung. Es wird wieder wirklich kommuniziert. Niemand wird mehr zappeln gelassen, niemand mehr hingehalten. So entsteht eine neue Kultur der Erreichbarkeit. Eine Kultur der Verbindlichkeit.

Es ist also durchaus möglich, dass die Digitalisierung auch nachhaltig einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft einnimmt. Eines ist jedoch sicher: Die Vorteile des Digitalen bei gleichzeitiger Wertschätzung des sozialen Lebens werden viele auch nach COVID-19 im Hinterkopf behalten.

Claudia Hoffmann

Claudia hat nicht nur alle Geburtstage im Kopf, sondern auch die besten Geschenkideen. Die Kombination aus Daten und Kreativität spiegelt sich in ihrer Arbeit als Analystin wider. Wie sie täglich mit Big Data umgeht und dabei Trends aufspürt, verrät sie euch im Blog.

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